Kungsleden – Teil 1&2

Kungsleden – Teil 1&2

Nach dem Besuch der Südspitze Patagoniens Anfang des Jahres ging es zum Ende des Sommers in den Norden Skandinaviens. Der Hinweg stellte sich recht einfach dar: ca. 1,5 Stunden Flug nach Stockholm und 4 Stunden später nochmal 1,5 Stunden nach Kiruna, der nördlichsten Stadt Schwedens. Der Flughafen in Kiruna ist recht kompakt. Aussteigen und Gepäckausgabe gingen überaus zügig. Wir konnten sogar eine Reisende mit IKEA-Taschen beobachten – offenbar haben wir mal wieder einen Trend gesetzt 🙂 Der Bus in die Stadt ist perfekt auf den Flugplan abgestimmt, sodass es ohne langes Warten direkt in die Stadt ging. Der Busfahrer hielt uns dankenswerterweise noch davon ab, ein paar Haltestellen zu früh auszusteigen und dann ging es in das Wandererheim des schwedischen Wandervereins STF.

1. Tag

Am nächsten Morgen hieß es: früh aufstehen. Um weiter nach Abisko (nördlicher Startpunkt des Kungsleden) zu kommen gibt es 3 Optionen: den Bus um 08:25 Uhr, den Zug gegen 14:30 Uhr und nochmal Abends einen Bus. Alles fährt in Richtung Narvik. Da wir mit der Wanderung ohne große Umschweife beginnen wollten, nahmen wir den ersten Bus und standen um kurz vor 07:00 Uhr auf. Der Bus beinhaltete quasi ausschließlich Wanderer, die wie wir in Abisko ausstiegen. Dort kauften wir noch Gas für den Kocher und gönnten uns die letzten Vitamine (Saft). Danach ließen wir die Zivilisation hinter uns und starteten die Wanderung gen Süden.

Start bzw. Ende des Kungsleden in Abisko

Zuerst aufgefallen ist, dass hier wesentlich mehr los ist, als wir es von Wanderungen in Norwegen kannten. Obwohl die Saison sich dem Ende neigt, versuchen wohl noch Einige, den Kungsleden von ihrer Bucket-List abhaken zu können. Das Wetter dafür könnte kaum besser sein. Gefühlt deutlich über 20°C, blauer Himmel und Sonnenschein. Kaum zu glauben, dass wir uns knapp 200km nördlich des Polarkreises befinden. Nach rund 14km legen wir an der Abiskojaure Fjällstuga die erste längere Pause ein. Auf den ersten Blick sind die schwedischen Wanderhütten recht ähnlich zu den norwegischen. Einzig gibt es hier deutlich mehr Personal und der Verkauf von Proviant erfolgt nicht per Kasse des Vertrauens sondern durch das Personal. Angesichts der deutlich größeren Bekanntheit des Kungsleden und vieler Besucher scheint dies erforderlich zu sein.

Da es noch nicht sehr spät war und das Wetter noch immer grandios, gingen wir noch ein paar Kilometer weiter, kamen kurz hinter dem Ende des Nationalparks vom Weg ab und irrten durch die Botanik einen Fluss entlang, bis wir wieder auf den Weg stießen. Die Nacht verbrachten wir im Zelt am Fluss. Hier gab es unzählige kleine Fliegen, die auch nach einem Bad im Fluss nicht von uns ablassen wollten. Nach Sonnenuntergang wurde es zügig kalt, sodass wir kurz darauf den Tag beendeten.

2. Tag

Die Nacht war wenig erholsam. Trotz -4°C-Schlafsack habe ich zeitweise gefroren und das 2-Personen-Zelt ist mit 2 recht aktiven Schläfern dann doch recht eng. Morgens war es noch recht lange kalt, sodass das Aufstehen erst nach längerer Überwindung stattfand. Während das Frühstück (Porridge) kochte, bauten wir das Zelt ab und machten uns abmarschfertig. Gegen 10:40 Uhr ging es los. Den Šiellajohka-Fluss mittels einer Hängebrücke überquert, danach ging es eine kurze, knackige Steigung hoch, die bei Nässe wohl ziemlich rutschig gewesen wäre. Zum Glück war das Wetter wie am Vortag perfekt. Wir passierten die Baumgrenze.

Oben trafen wir auf ein paar Wanderer, die wir in den nächsten Tagen immer wieder begegneten: Team Blaubeere (Familie deren Töchter fragten, ob das auf dem Boden Blaubeeren sind, als wir vorbeigingen), die spanische Inquisition (spanischsprachige Reisegruppe) und zwei ältere Damen mit einem paar Huskies.

Kurz vor der Passhöhe

Nach dem Passieren der Passhöhe blickten wir auf eine Seenkette und in der Ferne konnten wir einige Gletscher und schneebedeckte Gipfel sehen. Die letzten 6km bis zur Hütte hätte man per Boot zurücklegen können, allerdings war es dank eines Motorschadens außer Betrieb. Auf der gegenüberliegenden Seeseite lag ein Sami-Dorf und die nächste Hütte war schon von weitem aus sichtbar. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir schließlich in Alesjaure an und nutzten dort erstmalig die Annehmlichkeiten der Hütte. Absolut grandios war die Sauna. Es gab einen Waschraum mit heißem Wasser vom Holzofen, die Sauna selbst war natürlich auch holzbefeuert und für Aufgüsse sorgte eine Gruppe Finnen. Zum Abkühlen ging es in den Fluss. Zuvor gab es jedoch noch einen „Sauna-Accident“. Eine Frau kam offenbar mit der Hitze nicht zurecht und ist synkopiert. Kurze Zeit später ging es ihr wieder besser, trotzdem kam der Rettungshubschrauber. Zusätzlich haben wir noch Wäsche gewaschen, leider erst danach festgestellt, dass der Ofen im Trockenraum nicht funktioniert hat.

3. Tag

Diese und auch die künftigen Nächte verbrachten wir getrennt: Thobi im Zelt und ich in der Hütte. So ließ es sich deutlich besser schlafen. Wir frühstückten in Ruhe und setzten die Wanderung fort. Die ersten 4/5 der Strecke waren entspannt und wir konnten immer wieder schneebedeckte Berge sehen. Thobi bekam Probleme mit seinem linken Fuß und improvisierte mit einem flachen Stein eine Einlegesohle. Dann ging es leicht bergauf zur höchstgelegenen Hütte am Kungsleden: Tjäktja (ca. 1000m). Dort lernten wir Florian aus München und ein Paar aus Schweden kennen. Dem Münchner konnten wir eine unserer Gaskartuschen überlassen. Die Schweden hatten eine hohe Meinung von der Deutschen Bahn ohne diese jemals genutzt zu haben. Diverse Geschichten unsererseits konnten das geraderücken. In Tjäktja gab es keine Sauna, dafür wurde uns von der Hüttenwirtin der nahegelegenen Wasserfall empfohlen. Das Zimmer teilte ich mir mit den beiden Damen und den Huskies.

4. Tag

Wir sind relativ früh losgegangen (09:40 Uhr) und konnten den Tjäktjapass kurze Zeit später erklimmen. Der Ausblick in das sich südlich entwickelnde Tal war phänomenal und auch rückblickend betrachtet das Highlight der Wanderung.

Blick vom Tjäktjapass Richtung Süden

Das Wetter war wieder einmal traumhaft (geringe Bewölkung, windstill, 18°C im Schatten). Wir hielten oft an, machten viele Pausen und konnten kurz vor Erreichen der nächsten Hütte Sälka noch einige Rentiere sehen. Abends kochten wir Chili con carne aus der Dose mit Reis, verfeinerten dies mit mitgebrachtem Knoblauch und Zwiebeln und bekamen dafür von Italienern, die sich mit uns die Hütte teilten, Respekt gezollt. Die Sauna war eher mäßig. Das Verhältnis von Raumgröße zu Ofenleistung war unzureichend und da ständig Leute rein und rausgingen, wurde es nicht sonderlich warm.

5. Tag

Da sich zum Ende der letzten Wanderung mein Knie gemeldet hat, entschieden wir uns dafür, einen Pausentag in Sälka einzulegen. Wir haben Wäsche gewaschen, uns ausgeruht und Thobi hat sich aus Pflaster und Teilen einer Sitzunterlage Schuheinlagen gebaut, um den Stein abzulösen. Nachmittags traf eine japanische Reisegruppe ein und adelte die Sauna (die heute glücklicherweise wärmer war) als „swedish onsen“.

6. Tag

Die Nacht endete wirklich zeitig, weil wir 2 Etappen (ca. 24km) absolvieren wollten. Grund war einerseits das Wetter. Bis zum Mittag sollte es nieseln und danach stärker regnen. Dann gibt es an der nächsten Hütte Singi keine Sauna und wir wollten uns von den stärker begangenen Wanderwegen lösen. Gefühlt 95% der Mitwanderer gehen nur den ersten Teil des Kungsleden (bis Singi und dann Richtung Ost), danach sollte es deutlich ruhiger werden.

Der Pausentag tat dem Knie nicht gut. Nach 1-2 Stunden ging es los mit Knieschmerzen, die auch eher schlimmer wurden. Zudem wurde das Wetter schon kurz nach dem Loslaufen schlecht. Entgegen der Lobpreisungen von Thobis Wegbeschreibung war der Abschnitt eher unspektakulär. Nach 3,5 Stunden kamen wir in Singi an und machten erst einmal Rast. Hier tranken wir Tee, den wir zuvor an einer der Hütten anstelle von Wechselgeld mitgenommen hatten. Zusätzlich zu den Keksen warf ich mir noch etwas Novamin gegen die Schmerzen ein.

Der Regen wurde schwächer, der Weg weniger matschig und steinig. Die Situation am Knie verbesserte sich nach anfänglicher Erholung nicht. Dafür wurde die Landschaft nun wirklich spektakulär. Wolken stiegen von den zerklüfteten Bergen auf während der Fluss durch das Tal mäanderte. Als der Weg schließlich leicht abknickte, warfen wir noch einen letzten Blick zurück. Vor uns zeugten die ersten Zwergbirken davon, dass wir im Begriff waren, die Baumgrenze wieder zu unterschreiten. Der neben uns verlaufende Fluss wurde mächtiger und überwand die Höhenunterschiede durch eindrucksvolle Stromschnellen und Wasserfälle.

Kurz nach 17:00 Uhr kamen wir in Kotsumjaure an. Die beiden Hüttenwartinnen wiesen mir eine Hütte zu, die am ehesten an das erinnerte, was wir aus Norwegen kannten. 3 Doppelstockbetten in einem großen Raum, der gleichzeitig als Küche und Aufenthaltsraum diente. Ein Pärchen aus Prag war schon vor uns angekommen und hatte den Ofen in Betrieb gesetzt. Thobi baute zügig sein Zelt auf, da es so aussah, als würde es wieder anfangen zu regnen. Dabei tauchte der Münchner wieder auf und wir vermachten ihm unsere zweite Gaskartusche, da wir nicht mehr vorhatten, in der Wildnis zu zelten. Nach dem Saunabesuch bereiteten wir unser Abendessen zu (Schinken-Hörnli) und gegen 21:30 Uhr ging es ins Bett.

7. Tag

Morgendlicher Ausblick

Der weibliche Teil des Prager Pärchens schlief etwas länger als wir, daher bereiteten wir unser Frühstück im freien Nachbarzimmer (dem Hunderaum) zu. Eine der beiden Hüttenwartinnen kam vorbei, um nach dem Rechten zu schauen. Dabei konnten wir in Erfahrung bringen, dass es in der übernächsten Hütte Strom und Internet geben soll, zudem gibt es sogar ein Restaurant. Gegen 09:40 Uhr brachen wir auf. Dank 1g Novamin war das Knie anfangs unauffällig, als der Schmerz dann doch wieder kam, gab es direkt nochmal 0,5g hinterher.

Der Weg war schön und führte immer wieder durch Heidelbeerpflanzen. Herbstliche Farben tauchten die Landschaft in dramatische Stimmung. In der Nähe eines Wasserfalls füllten wir unsere Wasserflaschen auf, da es bis zur nächsten Hütte voraussichtlich keine größeren Flüsse mehr gibt. Nachdem wir die Passhöhe der Etappe hinter uns ließen, sahen wir einige Rentiere, darunter sogar ein weißes.

Der Abstieg zur Hütte war dann recht steinig und für mein Knie definitiv zu steil. Folglich bin ich das letzte Stück ziemlich herum-ge-opa-t. Immerhin lag neben dem Weg ein eindrucksvoller Wasserfall, also gab es wenigstens etwas zu sehen 🙂 An der Hütte angekommen, unterhielten wir uns kurz mit der Hüttenwartin. Für die Zuteilung des Zimmers waren wir noch zu früh dran, aber sie konnte schon einmal sagen, welche Hütte es wird. Für den weiteren Weg muss der Teusajaure-See per Boot überquert werden. Dafür stehen 3 Ruderboote zur Verfügung (und man hat den Jackpot gezogen, wenn man an seiner Uferseite nur noch 1 Boot vorfindet, dann darf man 3x über den See). Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich zu festgelegten Zeiten per Motorboot fahren zu lassen. Da der Wind recht kräftig war, fuhr dieses jedoch nicht mehr. Kein Problem, wir wollten ohnehin erst am nächsten Tag weiter.

Kurz nach 16:00 Uhr besuchten wir dann erneut die Hüttenwartin, um das Zimmer (alleine im 10er-Zimmer), das Zelt und die Fährtickets zu bezahlen. Eine leere Bierdose neben der Kasse ließ Hoffnung in uns aufkeimen, dass die Vorräte noch nicht zur Neige gegangen waren. Unglücklicherweise wurde das letzte Bier 10 Minuten vorher verkauft – bitter. Insbesondere da die Sauna die Beste der Reise war und im Umkleideraum ein Dosenmülleimer davon zeugte, dass hier öfter mal ein Döschen konsumiert wird.

Abends saßen wir dann in gemütlicher Runde mit den Pragern, zwei Stuttgarterinnen und dem Münchner. Die Prager hatten 2,7kg Mozartkugeln dabei und gaben bereitwillig welche herum. Eine der Stuttgarterinnen hatte Kinesiotape dabei und beklebte damit mein Knie. Da das Boot am nächsten Tag ab 07:30 Uhr im Viertelstundentakt den See überquert und wir 13,1km bis 14:45 Uhr zurücklegen müssen, um den einzigen Bus zurück in die Zivilisation zu erhaschen, ging es wieder recht zeitig ins Bett.

8. Tag

Früh aufgewacht (ohne Wecker 😁), gepackt und zum Bootsanleger gelaufen. Das 07:30 Uhr-Boot war schon am Vorabend anderen versprochen worden, wir kamen mit dem 07:45er rüber. Auf der anderen Seite ging es gemäßigt ansteigend durch einen Wald. Oben lichtete sich der Wald und eine Moorlandschaft übernahm. Das Wetter war traumhaft. Auch am letzten Wandertag konnten wir noch Rentiere sehen.

Relativ mittig gab es die Option einen Fluss per Brücke zu überqueren oder zu furten. Da wir gut in der Zeit lagen und gern furten wollten, entschieden wir uns dafür. Verglichen mit den Erfahrungen aus Norwegen war dies recht entspannt und dank der guten Temperaturen eine schöne Abwechslung. Vor dem Abstieg gab es noch die letzten Ausblicke auf schneebedeckte Berge und Gletscher.

Am Tagesziel kamen wir gegen 13:45 Uhr an (nach 2g Novamin). Hier trafen wir wieder auf einige Weggenossen. Da es hier erstmals wieder Internet gab, recherchierten wir, wie es weitergeht.

Rückreise

Der Bus fuhr nach Gällivare (Bevölkerung gut 10.000). Dort kamen wir so spät an, dass wir den Zug Richtung Stockholm nicht bekommen hätten. Also im „Grand Hotel Lapland“ übernachtet und bei „Fat Tony’s“ nach einer guten Woche Konserven und Fertiggerichten einen frischen Burger genossen. Das Frühstück im Hotel war überragend. Die Auswahl war riesig. Anschließend liefen wir durch den Ort und kauften noch Proviant (u.a. Zimtschnecken) für die Fahrt.

Nachmittags begannen wir mit der ersten Etappe nach Stockholm. Kurz vor Luleå stiegen wir in den Nachtzug um. Dort erwartete uns ein privates Abteil. Im Waggon gab es sogar eine Dusche. Das Essen im Speisewagen war ok.

Am nächsten Tag kamen wir pünktlich kurz nach 07:00 Uhr in Stockholm an. Nachdem wir unser Gepäck abgegeben hatten, liefen wir auf der Suche nach frischen Zimtschnecken durch die Stadt. Die laut Internet-Recherche beste Bäckerei (Lillebrors bageri) der Stadt hat zumindest uns nicht enttäuscht. Neben den Schnecken gab es noch köstliche Teigtaschen, die mit Käse und Oliven gefüllt und noch extrem heiß waren. Anschließend liefen wir noch durch die Stadt, sahen eine Art Volks-Radrennen, eine Dackelparade und nach der Altstadt besichtigten wir noch das Vasamuseum.

Nachmittags ging es dann wieder per Nachtzug nach Berlin. Diesmal im 6er-Abteil. Mit den Mitreisenden hatten wir Glück, das Essen im Speisewagen war top und trotz einer Stunde Verspätung bei der Abfahrt kamen wir 10 Minuten vor der geplanten Ankunft in Berlin-Gesundbrunnen an.

Fazit

Die Wanderung kann man zumindest in der Nebensaison uneingeschränkt empfehlen. Die Wege sind größtenteils gut zu laufen und das Wetter scheint üblicherweise im September niederschlagsarm zu sein. Landschaftlich wird unglaublich viel geboten, die Hütten sind klasse und die Leute freundlich. Für mich wird die nächste Wanderung aber ohne Zelt stattfinden. Der Rucksack war mit ca. 16kg einfach zu schwer.

Insgesamt sind wir rund 106km gewandert.